Elternschaft auf Augenhöhe durch die bewusste Entscheidung für eine 50:50 Elternzeit
Aus der Reihe „Elternzeit Possibility Models“
Kathrin & Nils
Elternschaft auf Augenhöhe durch die bewusste Entscheidung für eine 50:50 Elternzeit
Von Diana Tübke
Kathrin und Nils haben eine 8-jährige Tochter und leben von Beginn an ein partnerschaftliches Elternmodell. Beide teilen sich die Kinderbetreuung und sind beruflich erfolgreich: Kathrin ist als VP Channel Management & Marketing Mitglied der Geschäftsleitung DACH bei Schneider Electric und Nils ist als Teilprojektleiter in einem deutschen Konzern tätig. Beide arbeiten in Vollzeit.
In unserem Gespräch erzählen sie uns, wie sie ihre Elternzeitplanung angegangen sind, ob sie es heute wieder so machen würden und geben wertvolle Tipps für werdende Eltern, die ebenfalls ein partnerschaftliches Modell anstreben.
Kathrin und Nils, vielen Dank, dass ihr eure Geschichte mit uns teilt. Beschreibt bitte kurz, wie euer Vereinbarkeits-Setup heute aussieht.
Wir arbeiten beide in Vollzeit, sprich 40 bzw. 35 Stunden die Woche. In den ersten 6 Jahren haben wir uns so aufgeteilt, dass Kathrin in der Regel morgens Kinderdienst hatte und Nils früh mit seiner Arbeit angefangen hat. Nils hatte dann in der Regel nachmittags Kinderdienst. Seit unsere Tochter in die Schule geht, haben wir ein AuPair, welches uns morgens und nachmittags unterstützt.
Was war euch bei der Elternzeitplanung wichtig?
Wir hatten von Anfang an beide den Plan, weiterzuarbeiten und uns die Elternzeit, aber auch die Care-Arbeit 50/50 zu teilen. Darüber haben wir schon vor der Schwangerschaft ganz offen und ehrlich gesprochen, denn uns beiden ist unser Job wichtig. Wir wollten für unsere Tochter auch ein gutes Beispiel und mit einem modernen und gleichberechtigten Familienmodell Vorbild sein.
Uns war natürlich vor der Geburt klar, dass unser Plan möglicherweise nicht funktionieren wird. Wir waren uns aber einig, alles zu versuchen, diesen so umzusetzen. Natürlich kamen aus dem Umfeld immer wieder Bedenken und auch wir hatten das eine oder andere Mal Zweifel (sicherlich auch mangels Vorbilder in unserem Umfeld). Wir haben aber immer versucht, uns nicht an anderen zu orientieren, sondern unsere eigene Idee von Familienmodell umzusetzen.
Wo habt ihr euch informiert?
Wir haben uns vorher vor allen Dingen selbst viele Gedanken gemacht und uns ausgetauscht, haben aber auch mit Freunden und Kollegen gesprochen. Bezüglich der Elternzeit an sich haben wir uns bei der Elterngeldstelle und von einem Familienservice beraten lassen.
Hattet ihr Vorbilder oder Eltern im Freundeskreis, von denen ihr euch etwas abgucken konntet?
Sehr wenig. In unserem Umfeld haben viele Väter die obligatorischen 2 Monate Elternzeit genommen. Wir haben zudem viele Freunde, die eher auf die klassische Aufteilung von Care- versus Erwerbsarbeit setzen. Ein Vorbild waren immer alleinerziehende Freundinnen und Kolleginnen, denn die bekommen ja (oft unfreiwillig) auch beides hin. Aber auch der Austausch mit internationalen Kollegen und Kolleginnen hat sehr geholfen: in vielen anderen Ländern ist es recht normal, schnell in den Job zurückzukehren bzw. die Kinder früh in die Betreuung zu geben. Das hat geholfen, an den eigenen Plan zu glauben.
Wie sah eure Elternzeitaufteilung aus?
Wir haben uns die Elternzeit 50/50 geteilt: Kathrin war die ersten 6 Monate zu Hause, dann hat Nils übernommen und den 6.- 12. Monat sowie die Eingewöhnung in die Kita im 13. Monat nach Geburt übernommen.
Hattet ihr Zweifel, ob das alles so funktionieren würde, oder wart ihr zu 100 % überzeugt von eurem Plan?
Definitiv, immer wieder. Uns wurde auch oft gesagt: „Wenn das Kind dann erst mal da ist, dann werdet ihr sehen, dass das nicht alles so einfach ist.“ oder „Wenn das Kind da ist, werdet ihr sehen, dass ihr eure Meinung noch mal ändert.“.
Lustigerweise wurde Kathrin oft gesagt, dass sie ihre Meinung bestimmt noch mal ändern wird und länger zu Hause bleiben wird, wenn das Kind erstmal da ist, während Nils eher gefragt wurde, ob er sich keine Sorgen um seine Karriere macht, wenn er 7 Monate Elternzeit nimmt.
Wir waren uns immer einig, wenn wir feststellen, dass unser Plan für einen von uns Dreien nicht funktionieren wird, wir einen Plan B entwickeln müssen, hatten aber andererseits auch klar die Idee, uns nicht zu schnell von unserer Idee abbringen zu lassen.
Große Zweifel bestanden zum Beispiel in der Woche bevor Kathrin wieder arbeiten gegangen ist. Unsere Tochter war quasi bis zum Tag vorher voll gestillt, weil sie sich geweigert hat, die Flasche zu nehmen oder Brei zu essen. Hier hat uns unsere Hebamme geholfen, die uns ermuntert hat und versichert hat, dass unsere Tochter schon Brei essen wird, wenn sie muss.
Wie hat euer Umfeld auf eure Pläne reagiert? Gab es Gegenwind aus der Familie, dem Freundeskreis oder von euren Arbeitgebern?
Ja gab es. Wenn in der Regel auch nicht sehr konfrontativ, sondern eher subtil mittels kritischer Nachfragen.
Wie seid ihr damit umgegangen?
Wir haben irgendwann etwas Abstand von den Menschen genommen, die unsere Entscheidung nicht unterstützt haben und uns andererseits mit denjenigen ausgetauscht, die uns unterstützt haben. Aber wir waren auch immer sehr klar in unseren Aussagen und haben unserem Umfeld auch klar signalisiert, dass das unsere ganz persönliche Entscheidung ist, die wir nicht zur Diskussion stellen.
Wusstet ihr zum Zeitpunkt der Elternzeitbeantragung bereits, ob bzw. ab wann ihr euer Kind in eine Betreuungseinrichtung geben wolltet, oder hat sich diese Entscheidung erst im Laufe der Elternzeit ergeben?
Ja, uns war klar, dass unsere Tochter mit einem Jahr in die Kita gehen soll. Bei der Suche nach einem Kitaplatz hatten wir Gott sei Dank Unterstützung durch unsere Arbeitgeber.
Habt ihr eure Elternzeit so umgesetzt, wie ihr sie geplant habt oder musstet bzw. wolltet ihr im Laufe der Zeit etwas anpassen?
Wir haben sie wie geplant umgesetzt.
Was war rückblickend die beste Entscheidung, die ihr getroffen habt?
Tatsächlich ist das Beste, was man als Paar aus unserer Sicht tun kann, sich bereits vor der Schwangerschaft über die Wünsche und Pläne auszutauschen und gemeinsam einen Plan für das Familienmodell und die Aufteilung von Care- und Erwerbsarbeit zu entwickeln.
Wir haben um uns herum sehr viele Paare erlebt, die irgendwie in die Familiengründung gestolpert sind, ohne vorher offen die Ideen und Möglichkeiten zu besprechen und eine gemeinsame und für alle passende Entscheidung zu treffen. Diese Paare sind in der Regel in einem klassischen Familienmodell gelandet, sprich die Frau hat den überwiegenden Teil der Elternzeit und später auch der Care-Arbeit übernommen, während der Mann die Erwerbsarbeit stemmt. Wenn das eine wissentliche Entscheidung ist, dann ist das super, aber wir haben auch oft erlebt, dass es halt keine bewusste Entscheidung war.
Gibt es etwas, von dem ihr sagen würdet, dass ihr heute noch davon profitiert?
Ja, definitiv von der geteilten Elternzeit. Denn sie hat nicht nur dazu geführt, dass unsere Tochter noch heute eine sehr enge Bindung zu uns beiden hat, sie hat uns auch gezeigt, dass das, was klassischerweise oft als „Mutterinstinkt“ beschrieben wird, nämlich dass – solange die Babys klein sind – die Mutter am besten weiß, welche Bedürfnisse das Kind hat, so nicht existiert.
In den ersten 6 Monaten wusste Kathrin sehr genau, was unsere Tochter brauchte, wenn sie weinte oder unzufrieden war. Das hat sich in den ersten 6 Wochen nach Übergabe an Nils komplett gedreht: mit einem Mal wusste Nils exakt was los war, während Kathrin oft daneben lag.
Gibt es etwas, das ihr rückblickend anders machen würdet? Warum?
Nein.
Wenn werdende Eltern auch den Wunsch haben, ihre Elternschaft partnerschaftlich anzugehen und euch um einen Tipp bitten – was würdet ihr ihnen raten?
Augen auf bei der Partnerwahl und bereits im Vorfeld offen über die Wünsche und Vorstellungen reden. Tut man das erst, wenn man bereits schwanger ist, kann es zu spät sein. Und dann sucht euch Vorbilder, tauscht euch mit Paaren aus, die ebenfalls eine partnerschaftliche Elternschaft leben. Und nicht zuletzt heißt das oft auch loslassen: Nils macht viele Dinge ganz anders als Kathrin, und das ist auch ok und gut so.
Kathrin und Nils, vielen Dank für die offenen Einblicke in eure Elternzeitgestaltung und, dass ihr euren Weg dorthin mit anderen werdenden Eltern teilt. Ich bin mir sicher, dass ihr damit anderen Paaren helft, die an der ein oder anderen Stelle vielleicht noch Zweifel haben.
Ich wünsche euch weiter viel Erfolg im Job und alles Gute für euch als Familie!