Erfolgreich bewerben in Teilzeit: Mythen und Tipps
Erfolgreich bewerben in Teilzeit: Mythen und Tipps
von Diana Tübke

Eine der Fragen, die mir am häufigsten gestellt wird, lautet: “Ich finde keine passenden Stellenangebote, die in Teilzeit ausgeschrieben sind. Kann ich mich trotzdem auf eine Vollzeitstelle in Teilzeit bewerben und wie gehe ich dabei vor?
In diesem Blogbeitrag habe ich einige Mythen zum Thema Teilzeitbewerbung zusammengetragen und gebe praktische Tipps und Handlungsempfehlungen aus meiner HR-Erfahrung.
Mythos Nr. 1
Ich werde sofort aussortiert, wenn ich “Teilzeit” in meine Bewerbung schreibe.
Ja, vielleicht. Aber sieh es doch mal so: Wir leben in einer Zeit des Fachkräftemangels, und wenn man sich die demografische Entwicklung in den nächsten Jahren anschaut, werden wir auch in Zukunft einen Fachkräftemangel haben. Klar ist: die meisten Unternehmen suchen Fachkräfte in Vollzeit. Klar ist aber auch: Die meisten Unternehmen freuen sich, wenn sie überhaupt mal eine professionelle Bewerbung von Kandidat:innen bekommen, deren Qualifikation auf die ausgeschriebene Stelle passt. Meine klare Empfehlung lautet daher
Von Anfang an transparent sein und mit offenen Karten spielen. Aus zwei Gründen:
- Wenn das Unternehmen dich aufgrund deines Teilzeitwunsches ablehnt, ist es nicht das richtige Unternehmen für dich und deine aktuelle Situation. Arbeitgeber:innen, die schon in der Bewerbungsphase keine Rücksicht auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie nehmen, werden das auch im Rahmen deiner Anstellung nicht tun.
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Wenn du erst im Laufe des Bewerbungsverfahrens mit der Sprache herausrückst, suggeriert das den Personalverantwortlichen, dass du generell nicht sehr transparent bist. Eine Einstellungsentscheidung ist aus HR-Sicht immer eine heikle Sache. Oft kauft man die “Katze im Sack”, denn wir können während eines Auswahlprozesses immer nur annehmen, um welche Person es sich bei den Kandidat:innen handelt. Deshalb schließe ich als Personalerin automatisch vom Verhalten während der Bewerbung auf das zukünftige Verhalten. Und wenn ich den Eindruck habe, dass jemand nicht ganz ehrlich zu mir war, schließe ich daraus, dass diese Person es auch in Zukunft nicht sein wird. Und schon haftet ein negativer Eindruck an der Bewerber:in. Die meisten Bewerber:innen verhalten sich so, weil sie denken:
“Wenn ich erst mal überzeugt habe, werden sie mich bestimmt trotzdem einstellen wollen”. In Wirklichkeit führt die späte Angabe des Teilzeitwunsches oft zu einem Vertrauensbruch.
Mythos Nr. 2
Ich muss möglichst flexibel sein.
Natürlich sollten beide Seiten im Bewerbungsprozess, bei den Vertragsverhandlungen und auch im späteren Arbeitsverhältnis ein gewisses Maß an Flexibilität zeigen. Dennoch gilt: Wo es keine Flexibilität gibt, müssen auch die Grenzen klar benannt werden. Sonst kommt es früher oder später zu Enttäuschungen und Konflikten.
Ein Beispiel:
Du hast in deiner Bewerbung angegeben, dass du bis 15 Uhr arbeiten kannst. Das war sehr optimistisch, denn wenn du ehrlich bist, wäre es besser, du würdest um 14.50 Uhr gehen, um die Kinder abzuholen. Die Interviews laufen super – die Stelle ist toll, die Führungskraft sympathisch, das Unternehmen genau dein Ding. In den Gesprächen fragt dich die Führungskraft nun, wie fix diese zeitliche Obergrenze ist. Weil du den Job unbedingt haben willst und dir vielleicht auch ganz sicher bist, dass es bestimmt einen anderen Weg gibt, gibst du nach und lässt durchblicken, dass du “auch mal länger bleiben” und “mit etwas Vorlauf auch anders planen” kannst.
Hand aufs Herz: Stimmt das? Wie oft klappt Plan B wirklich? Dein Gegenüber freut sich – der Vertrag ist unterschrieben. Schon in den ersten Wochen wird klar: Du hast dich ein bisschen weit aus dem Fenster gelehnt.
Was wäre an dieser Stelle besser gewesen? Hier ein paar Tipps:
- Du hast dich schon vor den Gesprächen mit möglichen Alternativszenarien auseinandergesetzt – und zwar konkret:
- An welchen Tagen hast du tatsächlich Spielraum?
- Wie viel Vorbereitungszeit brauchst du realistischerweise?
- Was sind deine festen Grenzen?
- Welche Alternativen kannst du anbieten (z.B. abends noch eine Stunde für E-Mails blocken)?
- Du hast dir schon vor deiner Bewerbung überlegt, wie sich deine Kapazitäten langfristig entwickeln. Vielleicht bist du im Moment nicht flexibel, aber wie sieht es in ein paar Jahren aus? Wie sind die Betreuungsmöglichkeiten an der Schule? Wie kann sich die Arbeitszeit des anderen Elternteils entwickeln? Diese mittel- bis langfristige Perspektive kannst du bereits in deiner Bewerbung angeben und als mögliche Antwort auf die Frage nach mehr Flexibilität aus der Schublade ziehen.
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Du weißt schon vor den Gesprächen, wo deine Schwachstellen in Verhandlungen liegen. Wo knickst du ein, wie kannst du dich dagegen wappnen? Ein 1:1-Coaching kann dich optimal darauf vorbereiten.
Mythos Nr. 3
Elternzeiten sollte ich in meiner Bewerbung besser nicht erwähnen.
Tatsächlich gilt, dass Arbeitgeber:innen Elternzeiten nicht im Arbeitszeugnis angeben dürfen. Theoretisch könntest du also so tun, als hättest du nie Elternzeit genommen. Ein weit verbreiteter Irrglaube ist, dass es “besser aussieht”, wenn Elternzeiten im Lebenslauf nicht erwähnt werden. Ist das wirklich so? Ich sage nein, denn
- Vor allem, wenn aus der Bewerbung hervorgeht, dass du Kinder hast oder eben in Teilzeit arbeiten möchtest, geht dein Gegenüber ohnehin davon aus, dass du zumindest eine berufliche Auszeit hattest. Wenn in den Unterlagen keine Angaben dazu zu finden sind, geht die Personaler:in gleich vom “Schlimmsten” aus: “Da steht bestimmt nichts, weil 3 Jahre Elternzeit dazwischen lagen …”. Ohne Informationen gehen wir Menschen immer gleich vom “Schlimmsten” aus.
Also: gleich die Fakten nennen und in Teilzeit auf die Vollzeitstelle bewerben, dann gibt es keine Fragezeichen und keine Fantasie mehr.
- Denn selbst wenn: was ist daran so schlimm? Eltern wissen: Elternzeiten sind keine Urlaube (das ein oder andere Auslandssemester schon und die geben alle gerne an, um ihre “Weltoffenheit” zu zeigen …). Ganz im Gegenteil: Elternzeiten sind meiner Ansicht nach Phasen großer Persönlichkeitsentwicklungen. Und damit stehe ich nicht alleine. Der “What works for working parents – University of St.Gallen & MyCollective Study Report” von von Prof. Dr. Jamie L. Gloor und Eugenia Bajet Mestre (CCDI, FIM-HSG), veröffentlicht im Januar 2023 zeigt sogar:
- Eltern kehren nach ihrer Elternzeit mit Selbstvertrauen in ihre Karriere zurück.
- Eltern haben Vertrauen in ihre Führungsfähigkeiten und beruflichen Fähigkeiten.
- Elternzeit ist keine reine Auszeit; Eltern sammeln wertvolle Fähigkeiten.
- Werden diese Fähigkeiten im Bewerbungsprozess betont, kann die Elternschaft in einen beruflichen Vorteil verwandelt werden.
Es ist eine effektive Strategie, die durch die Elternschaft erworbenen Führungsfähigkeiten (Enrichment) bei Bewerbungen zu betonen, da “Enrichment”-Bewerber:innen häufiger als “Non-Enrichment”-Bewerber:innen eingestellt werden
Fazit
Sich in Teilzeit auf eine Vollzeitstelle zu bewerben kann eine Herausforderung, aber auch eine Chance sein. Es ist wichtig, mit einigen Mythen aufzuräumen und sich auf eine transparente und authentische Bewerbung vorzubereiten. Letztendlich kann die Hervorhebung der Elternzeit und der in dieser Zeit erworbenen Fähigkeiten zu einem beruflichen Vorteil führen. Hier einige Tipps, die dir bei deiner Teilzeitbewerbung helfen können.
Auf eine Vollzeitstelle in Teilzeit bewerben – meine Tipps:
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Authentizität zählt
Sei von Anfang an transparent und ehrlich über deine Teilzeitwünsche. Wenn ein Unternehmen dich aufgrund deiner Teilzeitwünsche aussortiert, ist es vielleicht nicht die richtige Wahl für deine aktuelle Situation. Authentizität schafft Vertrauen und zeigt, dass du bereit bist, offen mit potenziellen Arbeitgeber:innen zu kommunizieren.
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Transparenz ist der Schlüssel
Vermeide es, während des Bewerbungsprozesses plötzlich neue Bedingungen zu stellen. Mache dir im Voraus Gedanken über deine zeitlichen Kapazitäten, kläre feste Grenzen und mögliche Alternativen. Das hilft, Enttäuschungen und Konflikte zu vermeiden, die entstehen können, wenn unrealistische Erwartungen geweckt werden.
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Berücksichtige die langfristige Perspektive
Denke nicht nur kurzfristig, sondern betrachte auch die mittel- bis langfristige Perspektive deiner Arbeitsfähigkeit. Berücksichtige mögliche Veränderungen deiner familiären Situation, deiner Betreuungsmöglichkeiten und deiner Arbeitszeitpräferenzen.
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Bereite dich gut vor
Vorbereitung ist alles. Überlege dir, wo deine Schwächen in Verhandlungen liegen und wie du dich darauf vorbereiten kannst. Ein individuelles Coaching kann dir helfen, selbstbewusst in die Verhandlung zu gehen und realistische Vereinbarungen zu treffen.
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Betone deine Kompetenzen aus der Elternzeit
Elternzeiten sind keine Lücken im Lebenslauf, sondern Phasen der persönlichen Weiterentwicklung. Nutze die Fähigkeiten, die du in dieser Zeit erworben hast, und hebe sie in deiner Bewerbung hervor. Es gibt Hinweise in Studien, die zeigen, dass Eltern, die ihre Führungs- und Fachkompetenzen aus der Elternzeit betonen, häufiger eingestellt werden.
Sich auf eine Vollzeitstelle in Teilzeit bewerben erfordert eine kluge Strategie, Offenheit und die Fähigkeit, deine Stärken aus jeder Lebensphase zu nutzen. Denke daran, dass du nicht nur deine Qualifikationen, sondern auch deine Persönlichkeit und dein Potenzial hervorheben musst, um erfolgreich in Teilzeit eingestellt zu werden.

Foto Credit: Canva Pro