Die Weichen für Familie und Karriere richtig stellen: Dein Guide zur Elternzeitplanung
Die Weichen für Familie und Karriere richtig stellen: Dein Guide zur Elternzeitplanung
von Diana Tübke

In meiner Zeit als Personalerin und als Vereinbarkeits- und Karrierecoach habe ich eines gelernt:
Die Planung der Elternzeit stellt die Weichen für
- eine Partnerschaft auf Augenhöhe
- das Gelingen von “Kind und Karriere”
- die gleichen Chancen auf Familie und Karriere für beide Elternteile
Und das ist dem Großteil aller werdenden Eltern nicht bewusst. Und auch, wenn wir als Eltern selbst eine recht unpopuläre Aufteilung unserer Elternzeit gewählt haben, war auch mir zu diesem Zeitpunkt nicht klar, wie wichtig diese Entscheidung für unsere Zukunft war.
Vorweg: es gibt nicht den einen richtigen Weg. Schlagwörter wie #equalcare oder #Elternzeitparität suggerieren, dass die einzig wahre partnerschaftliche Elternschaft eine 50:50-Aufteilung sämtlicher Verantwortungen (und damit auch der Elternzeit) ist.
Das glaube ich nicht.
Ich glaube, dass Menschen und eben auch Eltern und Familien mit ihren Bedürfnissen, Wünschen, Werten und Sorgen sehr individuell sind. Und aus diesem Grund ist auch die Entscheidung, wer wann wie lange Elternzeit in Anspruch nimmt sehr individuell.
Ein Punkt ist mir sehr wichtig:
Elternzeit geschickt planen ist nicht gleichbedeutend mit Elterngeld optimieren. Es geht viel mehr darum, individuelle Entscheidungen bewusst zu treffen. Eure Elternzeitplanung sollte selbstbestimmt und mit Weitblick sein. Und da mein Herz für Chancengleichheit schlägt, nicht zuletzt aufgrund meiner zahlreichen Erfahrungen im HR-Feld, sollte sie fair sein: Gender Pay Gap, Gender Pension Gap, Gender Care Gap – eine traurige Auflistung, in die wir uns nicht einreihen müssen.
Und damit das auf individueller Ebene gelingt, teile ich in diesem Guide meine persönlichen und professionellen Tipps zur Elternzeitplanung.
1. Elternzeit geschickt planen = bewusst entscheiden
Wenn Elternzeiten und damit verbundene Teilzeiten geplant werden, weise ich immer darauf hin, dass „Elternzeit geschickt planen“ bedeutet, diese Entscheidungen bewusst zu treffen.
Was heißt das?
Wer etwas plant sollte wissen, was mit der Planung erreicht werden soll.
Oft höre ich in Elternzeitplanungs-Sessions Sätze wie: “Ach, wir warten erst mal ab, wie das mit dem Kind so ist.” oder “Ich verstehe mich gut mit meiner Führungskraft. Da finden wir dann schon eine Lösung.”
Leider höre ich in “Elternzeitrückkehr-Sessions” genauso häufig: “Das war uns gar nicht klar, dass das nicht geht.” oder “Das hätte ich von meiner Führungskraft nicht erwartet.”
1. Leitsatz – Selbstbestimmt
Sprich: der erste Schritt sollte es immer sein, sich selbst und die eigenen Ziele zu kennen.
Ich nenne das “eine selbstbestimmte Entscheidung treffen”. Damit meine ich, dass schon in dieser Phase wichtig ist, die eigene Identität, die eigene Vorstellung des zukünftigen Lebens und eigene Glaubenssätze zu hinterfragen und sich hierüber gemeinsam als Eltern auszutauschen.
- Sehe ich mich in 2, 5, 10 Jahren in Vollzeit oder Teilzeit? Was machen wir beruflich?
- Wie sieht das Leben unseres Kindes in 2, 5, 10 Jahren aus? Wo sind wir dann? Welche Rolle spielen wir?
- Was verstehe ich unter einer „guten Mutter“ und einem „guten Vater“?
- Wie möchten wir erziehen? Welche Werte möchten wir unserem Kind vermitteln? Was leben wir vor?
Es gibt keine “one-fits-all”-Elternzeit. Es gibt nur eine “this-fits-us”-Elternzeit.
Nützliche Tools in dieser Phase sind die Arbeit mit den eigenen Werten und das Vision Board.
2. Leitsatz – Weitblick
Sind diese Ziele erst mal definiert, könnt ihr im 2. Schritt überlegen, wie ihr diese Ziele am besten erreicht. Ich nenne diesen Schritt “mit Weitblick planen”.
Wenn du weißt, dass du ab einem gewissen Zeitpunkt wieder in Vollzeit arbeiten möchtest, weil dir persönlich Unabhängigkeit wichtig ist, dann sollte dieser Umstand in die Planung mit einfließen.
Wenn du dir ein gewisses Maß an Flexibilität behalten möchtest, weil es einfach schwierig ist, sich das Leben mit Kind vorzustellen, die Kinderbetreuung noch nicht fix ist (weil z.B. der Anmeldeprozess noch gar nicht begonnen hat) oder du dir Zeit für eine berufliche Neuorientierung nehmen möchtest: dann plane entsprechende Puffer ein.
Wenn du dir hingegen bewusst wünschst, den Fokus auf die Kinderbetreuung zu legen, dann sollte auch dieser Umstand mit in die Planung einfließen. Weitblick meint hier auch: je älter Kinder werden, umso weniger Betreuung brauchen sie. Auch hier ist es gut, zumindest eine Vorstellung zu haben, wie diese sinkende Betreuungszeit künftig gefüllt werden könnte.
⭐Tipp⭐
Wenn euch beiden eure berufliche Weiterentwicklung wichtig ist, kann diese Flexibilität auch gut auf beide Elternteile aufgeteilt werden. So könnt ihr z.B. Elternzeitabschnitte so untereinander aufteilen, dass ein Elternteil immer die Möglichkeit hat, die Kinderbetreuung zu übernehmen oder mit bis zu 32 Wochenstunden (vollzeitnah) in Teilzeit zu arbeiten. Die Flexibilität muss nicht zwangsläufig nur über ein Elternteil gewährleistet werden.
Wir können nur ernten, was wir säen.
Weitblick meint nicht, dass du dein Leben schon ins kleinste Detail vorplanen sollst. Das Leben passiert und nimmt unerwartete Wendungen. Und vorab zu wissen, wie ihr als Eltern empfindet ist unmöglich. Dennoch ist es wichtig deine Annahmen, Werte und Überzeugungen zu hinterfragen und entsprechend in eure Planung einfließen zu lassen, um später nicht sagen zu müssen: “Wenn ich das gewusst hätte, …”.
3. Leitsatz – Fairness
Der 3. Schritt sollte immer eine Betrachtung der Fairness sein:
Finden wir uns beide in der Planung wieder? Werden wir beiden gerecht?
Welche Nachteile aus Voll- oder Teilzeit erleidet ein oder beide Elternteile – beruflich, finanziell, persönlich, familiär – und wie können wir sie untereinander ausgleichen?
Was meine ich damit?
Zahlreiche Gender Gaps (Pay, Pension, Care) und Phänomene wie “Motherhood Penalty” belegen mit Zahlen, Daten, Fakten, dass unsere Rollenbilder und gesellschaftlichen Konventionen sich insbesondere finanziell für Frauen negativ auswirken. Einigen sich beide Elternteile auf eine eher klassische Rollenverteilung, könnten Vereinbarungen über einen finanziellen Ausgleich (z.B. für die Altersvorsorge) für geleistete Care Arbeit fair sein.
Gleichzeitig zeigen Studien, dass jeder zweite Vater etwa die Hälfte der Kinderbetreuung übernehmen will, es aber tatsächlich nur 21 % tun.*
Individuelle Entscheidungen treffen, bedarf einer inneren Überzeugung und der Offenheit, die eigenen Wünsche und Sorgen in der Partnerschaft zu besprechen.
Chancengleichheit braucht Mut zur Fairness.
2. Selbstbestimmt. Mit Weitblick. Fair.
Das Ergebnis dieser Überlegungen kann sein, dass z.B. beide sich die Elternzeit aufteilen, beide vollzeitnah arbeiten und Care-Arbeit 50:50 auf beide verteilt wird.
Es kann auch bedeuten, dass eine eher “klassische” Elternzeitaufteilung gewählt wird, sie (oder er) in Teilzeit wechselt und einen größeren Teil der Care-Arbeit übernimmt.
Das kann genauso eine bewusste Elternzeitplanung sein, wenn beide es wirklich wollen (also sich selbstbestimmt dafür entscheiden), mögliche Konsequenzen, wie z.B. beruflicher Stillstand, finanzielle Abhängigkeit, ungleich verteilte Zeit mit dem Kind, ungleiche Altersvorsorge durchdacht sind (Weitblick) und für diese Nachteile ein Ausgleich geschaffen wird, z.B. mithilfe eines Ehevertrags, mit Ausgleichszahlungen für die Altersvorsorge, Timboxing für Familienrituale, etc. (Fairness).
Diese 3 Leitsätze bei der Elternzeitplanung legen den Grundstein für ein harmonisches Familienleben, indem Kind und Karriere langfristig gelingen können. Sie vermeiden Enttäuschungen, Unzufriedenheit, mangelndes gegenseitiges Verständnis, Konfliktpotential und Schieflagen, die durch eine frühzeitige Weichenstellung schon vorweggenommen werden können.
Ein weiterer Orientierungspunkt für die Elternzeitplanung sind die 4 häufigsten Fehler werdender Eltern in dieser Phase der Familiengründung.
Mein dringender Appell lautet:
Bitte redet über diese Themen. Lasst sie nicht unausgesprochen und überlasst sie nicht äußeren Erwartungen. Ihr seid nicht alle. Ihr seid individuell.

*Quelle: Väterreport 2023 (bmfsfj.de)