Werte-Tool: Persönliche Werte erkennen – wie und wozu?
Werte-Tool
Persönliche Werte erkennen – wie und wozu?
Von Diana Tübke

1. Werte
Unsere Werte sind unser innerer Kompass. Wir richten unser Handeln stark nach unseren Werten aus und bewerten Situationen und auch unsere Mitmenschen nach unseren eigenen Werten. Sie sind unsere innere Entscheidungshilfe und helfen uns, Bewertungen in unserer Welt vorzunehmen.
Wer dauerhaft entgegen den eigenen Werten handelt, läuft zwangsläufig in einen Wertekonflikt, der zu einer inneren Zerrissenheit, Unzufriedenheit und in extremen Fällen auch zu psychischen Krankheiten führen kann.
Die folgende Übung hilft die eigenen Kernwerte herauszufinden.
2. Werte-Tool
Die Übung kann einzeln, vor allem aber auch als Paar durchgeführt werden (s. Schritt 2 & 5).
Wenn ihr alleine an euren Werten arbeiten möchtet, lasst die Schritte 2 und 5 (für Paare) einfach aus.
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Nehmt euch etwas zu schreiben und notiert euch eure Gedanken zu den folgenden Fragen.
Versucht, aus euren Notizen herauszulesen, welche Werte sich jeweils dahinter verstecken können.
Was ist dir existenziell wichtig in deinem Leben?
Auf was möchtest du auf gar keinen Fall verzichten?
Was könnte ein Leitprinzip für dein Leben sein – dein innerer Kompass?
Was würde man auf deiner Beerdigung über dich sagen?
Über was kannst du dich rasend aufregen – was macht dich wütend? Welcher Wert könnte sich dahinter verbergen?
Was glaubst du: wovon braucht die Welt mehr?
Was sollten Menschen weniger tun?
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für Paare
Wiederholt diese Übung und denkt jetzt nicht über euch, sondern über eure Partner:in nach. Was glaubt ihr, welche Werte sind für eure Partner:in wichtig? Wie würdet ihr die Fragen über sie/ihn beantworten?
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Nehmt euch diese Werteliste zur Hand und wählt 10 – 15 Werte aus, die euch gleich ansprechen. Die Ergebnisse aus den vorherigen Fragen könnt ihr hier bereits mit einfließen lassen.
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Verdichtet diese Werte nun nach folgendem Schema, sodass ihr am Ende ca. 5 Kernwerte für euch identifiziert habt:
1. Schreibt alle 10-15 Werte untereinander auf.
2. Vergleicht diese Werte nun systematisch miteinander und fragt euch bei jedem Vergleich:
3. Welcher Wert wiegt für mich stärker?
4. Hinter den Wert, den ihr höher bewertet, macht ihr einen Strich.
5. Die 5 Begriffe mit den meisten Strichen könnt ihr als eure persönlichen Werte betrachten.
Beispiel:
Welcher Wert wiegt für mich höher?
Wert 1 oder Wert 2?
Wert 1 oder Wert 3?
Wert 1 oder Wert 4?
Wert 1 oder Wert 5?
Wert 2 oder Wert 3?
Wert 2 oder Wert 4?
Wert 2 oder Wert 5?
Wert 3 oder Wert 4?
…
⭐Tipp⭐
Stellt euch jeweils eine konkrete Situation vor, bei denen beide Werte eine Entscheidungsmöglichkeit darstellen.
Beispiel
Wert 1 = Freundschaft
Wert 2 = Disziplin
Du hast die Wahl zwischen deiner täglichen Sporteinheit oder einem Anruf bei einem Freund, der gerade dringend deine Hilfe braucht. Was machst du?
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Du hast nun eine Übersicht über deine 5 Kernwerte. Sie helfen dir dabei, fundierte Entscheidungen zu treffen und sind auch gute Wegweiser, wenn es darum geht, einzelne Lebensbereiche kritisch zu hinterfragen. Um an deiner persönlichen Entwicklung arbeiten zu können, kannst du dir nun z.B. folgende Frage stellen:
Was überrascht dich?
Passen diese Werte zu deiner beruflichen Rolle?
Wo lebst du deine Werte aus und wie kannst du sie vielleicht noch besser ausleben?
Welche Rolle oder Aufgabe innerhalb eurer Familie erfüllt deine Werte am besten?
In welchem Bereich hast du eventuell eine Wertekonflikt?
Wie kannst du deinen Alltag mehr nach deinen Werten ausrichten?
Welche Werte helfen dir bei deiner Weiterentwicklung, welche blockieren dich?
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für Paare
Tauscht euch über eure Erkenntnisse aus und teilt eure Kernwerte. Das gegenseitige Wissen über eure Werte kann euch bei gemeinsamen Entscheidungen und in Konflikten helfen. Die folgenden Fragen dienen als Impuls für euer Werte-Gespräch:
Was überrascht euch?
Wie empfindet ihr die Gedanken eurer Partner:in über eure Werte? Bringen sie auch auf weitere Ideen? Sieht deine Partner:in etwas, das dir selbst durchgegangen ist?
In welchen Werten stimmt ihr überein – wo unterscheidet ihr euch?
Fallen euch Beispiele aus eurer Vergangenheit ein, wo sich diese Übereinstimmungen oder Unterschiede bemerkbar gemacht haben?
Hattet ihr eventuell schon mal Streitigkeiten, die rückblickend auf einen dieser Wertekonflikte zurückzuführen sind?
Wo begegnen euch diese Themen im Alltag?
Wie könnten eure Werte eure zukünftiges Familienleben beeinflussen?
3. Wann ist diese Übung sinnvoll?
Die eigenen Werte zu kennen, ist immer sinnvoll.
In manchen Situation kann dieses Wissen ein sogar ein Gamechanger sein.
3.1 Entscheidungssituationen
In Phasen, die mit großen Entscheidungen einhergehen, lohnt sich der Blick auf die eigenen (oder gemeinsamen) Werte.
Besonders zum Zeitpunkt der Familiengründung stehen eine Vielzahl solcher Entscheidungen an:
- Wer nimmt wie lange Elternzeit?
- Reduziert ein Elternteil die Arbeitszeit oder keiner oder beide? Wie lange?
- Welche Kinderbetreuung wählen wir?
- Möchten wir unser Netzwerk als Unterstützung nutzen und wenn ja, wie und wozu?
- Welche Werte gehören zur unserer Identität und sind uns bei unserer Entscheidung wichtig?
Folgende Werte können die Antworten auf diese Fragen z.B. maßgeblich beeinflussen: Sicherheit, Stabilität, Entwicklung, Abenteuer, Liebe, Verantwortung, Gerechtigkeit, Loyalität, Materialismus, …
Welche Werte sind euch wichtig und welche Lösungen findet ihr, die eure beiden Wertesysteme gleichermaßen bedienen?
Besonders die Schritte und 2 und 5 aus der Übung tragen zur Beantwortung von Elternzeit- und Betreuungs-Fragen bei.
3.2 Konfliktsituationen
Auch in Konflikten kann es sehr hilfreich sein, unter die Oberfläche zu tauchen und sich vor Augen zu führen, aus welchem Wert heraus die Beteiligten handeln. Ein Blick auf die Werte kann wesentlich zur Konfliktlösung beitragen, da es auf einmal nicht mehr um “die Sache” geht, sondern um das “dahinter”. Oft kann vor diesem Hintergrund eine Lösung herbeigeführt werden, die den Werten beider Konfliktparteien gerecht wird. Spielen z.B. Anerkennung, Achtsamkeit, Freundschaft, Ordnung oder andere Werte eine Rolle? Stehen sie im Konflikt oder findet ihr eine win-win-Lösung?
3.3 Persönliche Entwicklung im Vereinbarkeitsalltag
Sich der eigenen Werte bewusst zu sein, ist ein wesentlicher Teil der Selbstreflexion. Das Wissen um persönliche Werte (Kernwerte) hilft, sich und das eigentliche Verhalten zu verstehen. Das eigene Wertesystem ist ein guter Ansatzpunkt zur Weiterentwicklung. Manchmal blockiert ein innerer Wertekonflikt unser Fortkommen. Manchmal handeln wir nach Werten, die nicht unsere eigenen sind, sondern auf uns projiziert wurden (z.B. durch unser Elternhaus, durch ein berufliches Rollenverständnis, durch kulturelle oder religiöse Prägung). Es kann erleichternd sein, das zu realisieren und sich von projizierten Werten zu lösen. Das erfordert Zeit. Eine professionelle Unterstützung von außen, z.B. in Form eines Coachings kann hierbei eine große Hilfe sein.
3.4 Erziehung
Unsere Werte beeinflussen unseren Erziehungsstil maßgeblich. Werte waren schon Bestandteil unserer eigenen Erziehung und als Paar kommen zwei Wertesysteme zusammen. Es lohnt sich also schon vor der Familiengründung ein gegenseitiges Verständnis und vor allem – einen gemeinsamen Nenner in Sachen Werte zu erlangen.
Folgende Fragen können hierbei helfen:
- Welche Werte möchten wir unserem Kind mitgeben?
- Welche Werte leben wir vor? Wo besonders deutlich?
- Was wünschen wir uns für unser Kind? Was braucht es dafür?
- Wo unterscheiden wir uns? Wie gehen wir damit um?
- Welcher Wert ist für uns hilfreich, welcher nicht?
Wir können unsere eigenen Werte nicht von heute auf morgen ablegen, wenn wir glauben, dass sie uns im Weg stehen. Sie zu kennen und als Paar ein gemeinsames Verständnis von ihnen zu haben ist ein wichtiger erster Schritt und ein gutes Fundament für gemeinsame Erziehungsgrundsätze.
4. Was du über Werte sonst noch wissen musst
4.1 Wertearbeit braucht Zeit
Die Arbeit mit Werten ist nicht von jetzt auf gleich erledigt. Es dauert und ich empfehle dir, das Thema zwischendurch nochmal zur Seite zu legen. Wenn ihr als Paar an euren Werten arbeitet, weil ihr z.B. gerade eure Elternzeit plant oder in einem Konflikt steckt, dann geht wiederholt in den Austausch und lasst eure Antworten “heranreifen”.
Ihr werdet feststellen, dass ihr automatisch neue Erkenntnisse und Einfälle habt, die ihr ständig ergänzen könnt.
4.2 Werte verändern sich
Mit neuen Erfahrungen, persönlicher Weiterentwicklung und neuem Wissen verändern sich auch unsere Werte. So wie unsere Gesellschaft einem stetigen Wertewandel unterliegt, passen auch wir unsere Werte an. Es ist daher sinnvoll diese Übung in regelmäßigen Abstanden zu wiederholen. Das kann jährlich erfolgen oder spätestens dann, wenn wieder eine große Entscheidung oder eine neue Lebensphase ansteht.
4.3 Wertebegriffe sind neutral
Alle Wertebegriffe sind von Natur aus neutral. Die Bewertung der unterschiedlichen Begrifflichkeiten nehmen wir selbst vor.
Nehmen wir z.B. die Werte „Macht“ oder „Materialismus“.
Macht
Manche Menschen bewerten „Macht“ negativ. Oft liegen dahinter Glaubenssätze, die uns vielleicht unsere Eltern mitgegeben haben. Oder kulturelle oder religiöse Prägungen. So ist die Bewertung von „Macht“ in asiatischen Ländern ganz anders als in amerikanischen Ländern und in wieder anders in west- oder osteuropäischen Kulturen.
Was aber, wenn wir hinterfragen, was Menschen, unter „Macht“ verstehen, die ihr einen hohen Wert beimessen? Wozu möchte diese Person diese Macht gerne nutzen? Was motiviert diese Person, nach Macht zu streben?
Materialismus
„Materialismus“ ist in unserem Kulturkreis ebenfalls teilweise negativ belegt. Lernen wir doch in unserer Kindheit oft, dass wir bescheiden sein sollen. Im christlichen Glauben wird Habsucht als Sünde bezeichnet. Ist es wirklich grundsätzlich schlecht, wenn ein Mensch Wert auf materiellen Reichtum legt? Macht ihn das zu einem schlechten Menschen? Auch hier können wir wieder nach dem Motiv oder der Ursache fragen und stellen vielleicht positive Absichten fest.
Vielleicht merkst du gerade selbst, wie du diese Begriffe für dich bewertest.
So kann jeder Wertebegriff, der grundsätzlich neutral ist, positiv oder negativ bewertet werden.
Es gilt: Deine Werte können nicht richtig oder falsch sein.
5. Herausforderungen in der Wertearbeit
Manchmal stellen wir fest, dass wir mit zweierlei Maßstab bewerten. Vielleicht stellt ein Wert unsere Erwartungshaltung an andere dar und wir nehmen es selbst nicht ganz so genau mit diesem Wert (z.B. Ehrlichkeit, Flexibilität, Pünktlichkeit, …).
Manchmal schämen wir uns sogar für einen Wert und denken: Das gehört sich doch nicht.
Das ist häufig der Fall, wenn uns ein Wert persönlich wichtig ist (z.B. Anerkennung, Erfolg, Materialismus, …), der in unserem kulturellen Kreis negativ belegt ist (im Fall von Anerkennung, z.B. weil Bescheidenheit in unserem Kulturkreis als Tugend gilt).
In diesen Fällen könntest du dich fragen, zu welchem positiven Verhalten oder guten Entscheidungen dir dieser Wert verholfen hat und du siehst ihn vielleicht schon wieder mit anderen Augen.
6. Wertearbeit im Coaching
Im Coaching werden weitere spezifische Übungen und Methoden genutzt, um Klarheit in das eigene Wertesystem zu bringen. Coachees werden von ihrer Coach:in professionell in der Auflösung von Wertekonflikten und in Entscheidungsfindungen begleitet. Besonders in der Familiengründung ist die Arbeit mit Werten sehr sinnvoll, da sie hilft schon frühzeitig die Weichen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu stellen.
Ein Coaching ist dann hilfreich, wenn du folgendes feststellst:
Es fällt dir schwer, selber deine Kernwerte zu identifizieren. Oder du bist auf einen Wertekonflikt gestoßen und fragst dich, wie du ihn lösen kannst. Vielleicht hast du das Gefühl deinen Werten gerade nicht treu sein zu können – vielleicht, weil deine berufliche Rolle gegen deine eigenen Werte arbeitet oder weil du in einem Vereinbarkeitsalltag steckst, in denen du deine Werte nicht ausleben kannst. Es ist häufig schwer, aus eigener Kraft einen Weg hin zu den eigenen Werten zu finden. Die Wertearbeit im Coaching kann hierbei einen guten Rahmen geben, mit dessen Hilfe du selbst wieder zu deinen Werten finden kannst.
