Faire Arbeitsteilung in der Familie
Faire Arbeitsteilung in der Familie
von Diana Tübke

Wenn wir über die Arbeitsteilung in der Familie sprechen, sprechen wir über die Verteilung von unbezahlter Care Arbeit (oder “Sorgearbeit”). Diese Verteilung ist in den meisten Familien recht einseitig, wie der Gender Care Gap eindrucksvoll darlegt.
In diesem Beitrag erfährst du, was alles zu Care Arbeit gehört und wie eine faire Arbeitsteilung in der Familie gelingen kann. Ich zeige auf, welche Schritte werdende Eltern bereits für eine gerechte Arbeitsteilung in der Familie unternehmen können. Und für die Eltern, die bereits mitten im Vereinbarkeitsalltag stecken, zeige ich Wege auf, wie sie die Arbeitsteilung in der Familie gerechter (um)gestalten können.
Praktische Tipps zeigen, wie ihr z.B. mit Tools wie Trello oder Scrum eure Familienorganisation fairer gestalten könnt.
1. Was ist Care Arbeit?
Care-Arbeit beschreibt die Tätigkeiten des Sorgens und Sichkümmerns.
Im Grunde sind es alle Tätigkeiten, die zur Aufrechterhaltung des täglichen Lebens und des Funktionierens der Gesellschaft nötig sind. Darunter fallen die
- Kinderbetreuung und -erziehung
- Pflege von Angehörigen
- familiäre Unterstützung oder Hilfe unter Freunden
- sämtliche Arbeiten im Haushalt und Garten
- ehrenamtliches Engagement
1.1. Mental Load
Care-Arbeit umfasst mit kognitiver Sorgearbeit auch mentale Anforderungen, die häufig als “Mental Load” beschrieben werden. Hiermit sind die Familienorganisation betreffende koordinative und überwachende Tätigkeiten gemeint, z.B.:
- Abstimmung von Terminen
- Einkaufs- und Essensplanung
- Delegation und Überwachung von Aufgaben
Die Person, die kognitive Care Arbeit leistet, weiß, wo sich Büroklammern, Müllbeutel, Nähzeug, Badesachen, Schnürsenkel und Fieberthermometer befinden. Sie kennt die Orte, an denen die Schere sein könnte, wenn sie nicht am eigentlich Platz ist. Sie weiß, was gegen zahnen hilft, dass man Kichererbsen einweichen muss, welcher Hustensaft bei welcher Hustenart hilft, wie man eine TipToi-Datei hochlädt und mit welchem Trick man den kaputten Reißverschluss der Matschhose schließen kann. Sie kennt die aktuelle Schuhgröße der Kinder, weiß welche Kleidung in der nächsten Größe bereits vorhanden ist und welche Sachen in die Sporttasche gehören.
Diese kognitive Sorgearbeit kann schnell belastend werden, weil
a) der Überblick behalten werden muss und
b) die Person mit diesem Wissen in der Regel auch die Person ist, an die sich alle wenden und auf die sich verlassen wird.
1.2. Emotionale Arbeit
Auch scheinbar unsichtbare Tätigkeiten wie
- Trösten und Beruhigen
- Kenntnis über Vorlieben und Bedürfnisse aller Familienmitglieder
werden der Care Arbeit zugerechnet.
Grob beschrieben handelt es sich dabei um die Fähigkeit, Bedürfnisse von Mitmenschen zu antizipieren und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Häufig stellt die emotional arbeitende Person eigene Bedürfnisse zurück und ist auch wieder die Person, auf die sich verlassen wird.
Sie weiß, was die Kinder wann am liebsten essen, mit welchem Spielzeug oder mit wem sie gerade gerne spielen und kümmert sich eben auch darum, dass das Richtige gekocht wird und passende Verabredungen organisiert werden.
Diese vielfältigen Aufgaben, von denen ein Großteil häufig nicht gesehen wird, sind häufig ungleich verteilt. Der Gender Care Gap verdeutlicht dies. Ein Grund, die Arbeitsteilung in der Familie zu hinterfragen und einmal genauer hinzusehen.
Gender Care Gap
2. Unfaire Arbeitsteilung in der Familie
2024 bezifferte das BMFSFJ in ihrem Bericht “Gender Care Gap – Ein Indikator für die Gleichstellung” den Gender Care Gap mit 43,8 %.
43,8 % Gender Care Gap
Das heißt, Frauen verwenden im Schnitt täglich 43,8 % mehr Zeit für unbezahlte Sorgearbeit als Männer. Das sind umgerechnet 77 Minuten Unterschied. Während Männer wöchentlich 21 Stunden unbezahlte Sorgearbeit leisten, sind es bei Frauen im Schnitt 30 Stunden.
Eltern besonders betroffen
Mütter mit Kindern unter 6 Jahren leisten in der Woche durchschnittlich 48 Stunden und 14 Minuten unbezahlte Care Arbeit. Bei Frauen ohne Kinder sind es 24 Stunden und 19 Minuten.
Diese Zahlen stammen aus der Erhebung aus dem Jahr 2024. In der zuvor durchgeführten Erhebung in 2012/2013 wurde zudem der Gender Care Gap in der Gruppe der 34-Jährigen bemessen. Er betrug 110,6 %. Eine Altersgruppe, in der häufig wegweisende berufliche und familiäre Entscheidungen getroffen werden und der Gedanke liegt nah, dass die Familiengründung eine wesentliche Weiche für die ungleiche Arbeitsteilung in der Familie ist.
Woran liegt das?
3. Visualisierung von Zeit: Eine einfache Berechnung
Diese Schieflage ergibt sich häufig unbewusst – etwa, weil Mütter mit durchschnittlich 14,6 Monaten Elternzeit weit über den 3,6 Elternzeitmonaten der Väter liegen (Quelle: Statista, 2023). In der Folge verbleibt die Care Arbeit bei der Mutter: die neuen Aufgaben, die mit der Geburt des Kindes Einzug in den Familienalltag gehalten haben und zu Beginn bei der Mutter liegen, sowie die alten, die die Mutter aus Pragmatismus während der Elternzeit mit übernommen hat. Dieser Umstand bleibt häufig auch dann bestehen, wenn die Mutter wieder in den Job einsteigt.
Wie unfair diese Schieflage ist, zeigt die folgende vereinfachte Gegenüberstellung von Care und Erwerbsarbeitswochen. Sie lässt auch erahnen, weshalb die Arbeitsteilung in der Familie eine dauerhafte Konfliktquelle für Paare ist.
Arbeitsteilung in der Familie zu Beginn der Familiengründung während der Elternzeit

Arbeitsteilung in der Familie nach der Elternzeit
(wenn der Nachwuchs für 40 Wochenstunden in eine Betreuungseinrichtung geht)

Doch in den meisten Fällen, übernimmt die Mutter nach der Elternzeit auch wieder eine Erwerbsarbeit, meist in Teilzeit.
Arbeitsteilung in der Familie nach der Elternzeit
(wenn der Nachwuchs für 40 Wochenstunden in eine Betreuungseinrichtung geht und die Mutter mit 30 Wochenstunden erwerbstätig ist)

Für eine faire Arbeitsteilung in der Familie müssen demnach ca. 20 Care Arbeitsstunden auf den Vater umverteilt werden.
Faire Arbeitsteilung in der Familie mit zwei berufstätigen Elternteilen

Diese Rechnung ist inspiriert von Jo Lücke, der Autorin des Buches “Für Sorge – Wie Equal Care euer Familienleben rettet”.
Es ist eine vereinfachte Musterrechnung, die deutlich macht, wie schnell sich ein Ungleichgewicht in Verantwortlichkeiten von Elternteilen einschleichen kann.
Faire Arbeitsteilung in der Familie
4. Wie Eltern sie erreichen können
Logisch, dass sich gleichberechtigte Paare, von denen beide Elternteile weiterhin ihrer beruflichen Tätigkeit nachgehen möchten, nicht in diese Gender-Gap-Liste einreihen wollen.
Was kann man also tun?
Der Idealfall: je früher umso besser
Die Weichen für eine faire Aufteilung werden schon ganz früh gestellt – schon vor der Geburt, wenn werdende Eltern mit der Elternzeit den Beginn ihrer gemeinsamen Elternschaft planen. Hier zeigt sich deutlich, warum die Weichenstellung bei der Familiengründung so essentiell ist.
Wer mehr Elternzeit in Anspruch nimmt und so die Hauptverantwortung für die unbezahlte Care Arbeit übernimmt, wird mit diese Verantwortung mit großer Wahrscheinlich auch nach der Elternzeit übernehmen und mit reduzierter Erwerbsarbeit in den Job zurückkehren.
Der Grundstein für eine Schieflage in Care und Erwerbsarbeit ist gelegt.
Hier zeigt sich die enge Verzahnung des Gender Care Gaps mit dem Gender Pay Gap und in der Folge auch dem Gender Pension Gap.
Es ist nie zu spät
Aber auch zu einem späteren Zeitpunkt ist “der Zug noch nicht abgefahren”. Es ist immer mühseliger alte Gewohnheiten durch neue zu ersetzen als gleich mit den “richtigen” Gewohnheiten zu starten. Dennoch gibt es Best Practices für die Umsetzung von “Equal Care”, also einer fairen Arbeitsteilung in der Familie.
Für beide Varianten gilt: das Thema muss als solches verstanden und die Care Arbeit entsprechend wertgeschätzt werden.
Die Basics
4.1. Was schätzen wir wie wert?
Um eine faire Lösung zu finden, die für beide Elternteile passt, ist die Auseinandersetzung mit der eigenen Prägung und dem eigenen Werte– & Rollenverständnis nötig.
Welche Glaubensätze beeinflussen unsere Bewertung von Aufgaben? Was ist „typisch Mama“ und „typisch Papa“?
“Lass den Papa mal in Ruhe. Er kommt gerade erst von der Arbeit und muss sich erst mal ausruhen.”
“Die Mütter haben es gut – treffen sich jeden Tag auf einen Cappuccino auf dem Spielplatz!”
“Ach, das bisschen Haushalt ist doch keine Arbeit.”
Welche Arbeit ist wie wertvoll?
Erwerbsarbeit kann mithilfe des Gehalts leicht beziffert werden.
Wie beziffern wir den Wert von Care Arbeit?
Was ist uns die Entwicklung und die Erziehung der eigenen Kinder wert?
Was ist uns eine glückliche Kindheit unserer Kinder wert?
Wie bewertet ihr eure eigene Zeit? Mit dem Stundensatz eures Gehalts?
Und wie bewertet man die Zeit der Person, die unbezahlt Sorgearbeit leistet?
Was ist es euch wert, tagtäglich saubere Wäsche vorzufinden, den Morgen mit einer Tasse Kaffee in einer aufgeräumten Küche mit vollem Kühlschrank zu starten, wo Milch und Brot verlässlich zu finden sind? Was, wenn sich keiner hierum kümmert?
Was ist es euch wert, dass eure Kinder zufrieden sind, weil sie tagtäglich emotional begleitet werden, ihre Bedürfnisse erkennen lernen und artikulieren können und sie psychologische Sicherheit erfahren, weil sie wissen, dass ihre Bezugspersonen verlässlich für sie da sind?
Keine leichten Fragen.
Das Bewusstsein über die Relevanz von Care und Erwerbsarbeit ist eine wichtige Basis, um als Paar gemeinsam an einer fairen Arbeitsteilung in der Familie zu arbeiten.
Für beide Varianten gilt:
4.2. Die Sache mit der Kompetenz
“Mein Mann kann das nicht.”
“Ich mache das besser.”
“Diese Kita-Whatsapp-Gruppen kann meine Frau besser.”
“Mein Mann vergisst die Hälfte, wenn er allein mit den Kindern unterwegs ist.”
Kompetenz wird nicht geerbt. Sie wird erlernt.
Wir erlernen Kompetenz, indem wir etwas üben und häufig wiederholen. Aufgaben schnell lieber selbst zu erledigen, hilft uns langfristig nicht weiter.
Das kennen wir aus dem beruflichen Kontext:
Auszubildende und Praktikant:innen brauchen natürlich länger für Aufgaben, für die wir bereits Routinen entwickeln konnten und auf Erfahrungswerte zurückgreifen können. Ihnen die einzelnen Arbeitsschritte zu erklären dauert und natürlich ist das Arbeitsergebnis zu Beginn mit unserem nicht gleichzusetzen.
Das kennen wir aus dem Kontext der Kindererziehung:
Kinder lernen Fähigkeiten, indem sie sie üben und wiederholen. Dadurch werden in ihrem Gehirn stetig neue neuronale Netze gebildet und ausgebaut (übrigens bis zu unserem Lebensende – wir lernen dank neuronaler Plastizität ein Leben lang). So wie sie laufen lernen, lernen sie auch vermeintlich simple Dinge wie mit Besteck zu essen, Stufen zu aufzusteigen oder ihre Jacke selbstständig auszuziehen und aufzuhängen. Wir könnten ein Leben lang all diese Tätigkeiten für sie übernehmen – das wäre aber wenig zielführend. Also machen wir all diese Dinge geduldig vor und lassen sie nachahmen. Erst eher schlecht als recht und mit und mit immer besser. Bis sie es können.
Das gleiche gilt für Care Arbeit.
Care Arbeit kann erlernt werden.
Das machen es Frauen auch. Keine Mutter wird mit der Kompetenz geboren, Kinder zu beruhigen, Schnuller zu desinfizieren oder Windeln zu wechseln. Beide Elternteile starten auf dem gleichen Niveau und müssen lernen, in diese Verantwortung zu wachsen. Mütter haben keinen biologischen Vorteil oder natürlichen Vorsprung gegenüber Vätern.
Jo Lücke schreibt hierzu:
“Männer, die etwa als schwule Väter die Hauptbezugspersonen für ein Baby sind, weisen die gleiche Amygdala-Aktivierung auf wie Mütter – auch ohne Schwangerschaft und Geburt.”
Eine aktive Elternschaft und die Übernahme von Fürsorgeaufgaben ist eine Entscheidung und eine Kompetenz, die wir lernen. Keine genetische Veranlagung.
Der Idealfall: Arbeitsteilung in der Familie von Beginn an
5. Gemeinsamer Familienstart
Den Beginn der Elternschaft gemeinsam zu teilen, ist für eine gleiche Kompetenzaneignung beider Elternteile der leichteste Weg.
Logisch
Wenn ich noch kein Spanisch spreche, beginne ich auf dem Anfangslevel und buche mir nicht gleich den Kurs für Fortgeschrittene. Und wenn zwei Menschen bei 0 anfangen, lernen sie bei gleichem Einsatz vergleichbar schnell. Niemand käme auf die Idee, ohne Vorkenntnisse in der Mitte des Kurses einzusteigen und dabei zu erwarten, auf dem gleichen Wissensstand der anderen Kursteilnehmenden zu sein.
Jo Lücke beschreibt in ihrem Buch, wie schnell der Erfahrungsvorsprung wächst. Gerade, wenn eine Person sich verantwortlicher fühlt als die andere, führen die unterschiedlichen Erfahrungswerte zu unterschiedlichen Kompetenzausprägungen.
Die Folge
Die Person, die weniger Zeit mit dem Neugeborenen verbringt und sich weniger verantwortlich fühlt, ist infolgedessen unsicherer im Umfang mit dem Kind. Sie fühlt sich unfähig, macht eher “Fehler” – die für das Selbstbewusstsein nötige Selbstwirksamkeit bleibt aus.
Es fehlt im Vergleich zum anderen Elternteil einfach an Erfahrung und Routine. Also verbleibt die Aufgabe weiterhin bei der Person mit Erfahrungsvorsprung.
5.1. Partnerschaftliche Elternzeit
Gemeinsam in eine Elternzeit zu starten hat für die spätere faire Arbeitsteilung in der Familie demnach große Vorteile.
Die Studie “Weichenstellungen” des Instituts für Demoskopie Allensbach hat 2022 ergeben, dass in den Familien, in denen auch der Vater in Elternzeit war, 34 % der Eltern berichten, dass die Elternzeit ihnen geholfen habe, eine gerechtere Aufgabenverteilung zu finden. 57 % haben die Kinderbetreuung nach der ersten Elternzeit annähernd hälftig geteilt – in anderen Familien lediglich 37 %. Die stärksten Effekte finden sich bei Eltern, von denen die Väter länger als zwei Monate in Elternzeit waren. Andere Studien sprechen sogar erst von langfristigen Fortschritten bei der Aufteilung der Familienarbeit, wenn der Vater mehr als drei Monate aus dem Beruf aussteigt.
Die eigene Erfahrung, täglich vollumfassend für ein kleines Kind verantwortlich zu sein ist nicht ersetzbar.
Für eine faire Elternschaft sollte dies schon bei der Elternzeitplanung berücksichtigt werden.
Der häufigste Fall: Arbeitsteilung in der Familie mit “Verspätung”
6. Step-by-Step zur neuen Arbeitsteilung in der Familie
Wenn du dich zu dieser Gruppe zählst, bist du in bester Gesellschaft. Denn die meisten Paare befassen sich während der Schwangerschaft mit der Entwicklung von Babys, Kinderwagenvergleichen, Wickelarten, Stillen vs. Fläschen und der Schwangerschaft.
Das ist total verständlich.
Viele können sich nicht vorstellen, dass die Arbeitsteilung in der Familie für sie eine kritische Rolle spielen könnte. Schließlich hat das bei einem gleichberechtigen Paar bis jetzt auch gut geklappt.
Werdende Eltern können (ähnlich wie Elternteile, die keine oder nur wenig Care Arbeit übernehmen) nicht wissen, welchen Umfang Care Arbeit annimmt, wenn Kinder in die Familie kommen.
Elternwerden muss durchlebt werden, um es für sich greifbar zu machen.
Aber keine Sorge: es gibt immer einen Weg!
In 7 Schritten zur fairen Aufteilung
So gelingt eine gerechte Arbeitsteilung in der Familie
1
Bewusstsein und Verständnis für Care Arbeit schaffen
Wie bereits beschrieben ist dieser Punkt eine Grundvoraussetzung, um das Thema als Elternpaar gemeinschaftlich anzugehen. Wer die Relevanz von Care Arbeit für das eigene Familienleben nicht versteht, wird sich nicht auf den weiteren Weg einlassen.
Sprecht offen über eure Feststellungen. Bleibt dabei in der Ich-Form: “Ich empfinde xy als …” anstelle von “yx ist …”. Fachliteratur und Infoveranstaltungen können helfen, ein besseres Verständnis zu gewinnen. Mithilfe von Coaching könnt ihr eigene Verhaltens- und Denkmuster besser einordnen lernen.
2
Rollenbilder und Glaubenssätze hinterfragen
Wir alle wurden geprägt – ob durch die Erziehung unserer Eltern, durch Gewohnheiten und Verhalten unserer Bezugspersonen, durch Film und Fernsehen oder gesellschaftliche Normen. Das größte Hindernis auf dem Weg zu einer fairen Arbeitsteilung sind unsere eigenen unbewussten Verhaltens- und Denkmuster. Aussagen aus unserer Kindheit, die wir häufig gehört haben, weisen auf Glaubenssätze hin, die für unseren Fortschritt hinderlich werden können: „Ein Junge weint nicht.“, „Zum Trösten braucht es eine Mama.“, „Jungs raufen sich gerne mal.“ oder „Das ist nur was für Mädchen.“ Wenn wir auf solche Glaubenssätze stoßen, hilft es sie kritisch zu hinterfragen. Stimmt das? Was davon nicht? Stimmt das mit meinen Werten überein? Sehe ich das anders? Was hat dieser Satz bei mir bewirkt? Was möchte ich glauben? Glaubenssätze können neu formuliert werden. Dabei handelt es sich um einen Prozess. Und manchmal ist es sinnvoll, sich hierbei professionell (z.B. in einem Coaching) unterstützen zu lassen.
3
Care Arbeit sichtbar machen
Care Arbeit, insbesondere die kognitive und emotionale Komponente, hat die Eigenschaft unsichtbar zu sein. Es ist außerdem natürlich, dass wir unsere Arbeit eher wahrnehmen, als die unserer Partner:innen. Hier hilft eine Woche lang “Time Tracking”: haltet fest, welche Aufgaben ihr übernehmt und wie lange ihr etwa dazu braucht. Tools wie z.B. der Mental Load Test machen zusätzlich die kognitive Komponente sichtbar.
Setzt euch zusammen und besprecht euer Ergebnis möglichst sachlich. Vermeidet Finger Pointing und widersteht dem Drang aufzurechnen. Es ist eine Ist-Analyse ohne “I told you so.”.
4
Arbeitspakete definieren
Dieser Schritt wird auch “Clustern” genannt. Sind alle Aufgaben sichtbar, können sie zu Paketen zusammengefasst werden. Das vereinfacht die Organisation und verhindert eine zu kleinteilige Arbeitsaufteilung. Hilfreich ist diese Pakete vom gewünschten Ergebnis her zu denken. Zu Clustern können alle Arbeitsschritte zusammengefasst werden, die nötig sind, um z.B. täglich Mahlzeiten zur Verfügung zu haben (z.B. Essen planen, dabei Besonderheiten wie Außerhaustermine oder Homeoffice-Tage berücksichtigen, Vorräte prüfen, Einkaufsliste schreiben, Einkaufen, Einräumen, Vorbereiten, Kochen, Tisch decken) oder die Kinder jeden Morgen angemessen gekleidet aus dem Haus zu lassen (Wäsche sortieren / waschen / trocknen / bügeln / einräumen, kaputte Sachen ausbesseren oder aussortieren, zu kleine Größen aussortieren, neuen Bedarf aufschreiben oder in der Vorratskiste suchen, kaufen, der Jahreszeit entsprechende passende Kleidung vorrätig halten).
5
Arbeit optimieren und reduzieren
Ihr habt jetzt einen guten Überblick über eure Aufgaben. Ein guter Moment, um rigoros zu streichen.
„You can’t have it all“ ist ein Klassiker, der die Vereinbarkeit von Kind und Karriere schon bei der Familiengründung als eine von 4 Fallen bei der Familiengründung und Elternzeitplanung erschwert.
Vor den Kindern war das vielleicht noch machbar: Brot selbst backen, täglich einkaufen gehen, den Kuchen für den Sportverein backen, die 4 Wände immer passend dekoriert, Garten & Balkon gepflegt, immer frisch gebügelte Hemden im Schrank, ein 5-Gänge-Weihnachtsmenü, die Fenster streifenfrei und das Auto stets poliert.
Mit Kind und Karriere nicht mehr.
Da hilft nur: die eigenen Erwartungen zurückschrauben, hinterfragen, was man als Familie individuell wirklich braucht und sich auf das Wesentliche konzentrieren.
Brauchen wir das wirklich? Müssen die Fenster alle 2 Wochen geputzt werden, nur weil wir das “immer schon so machen”? Müssen wir alle 2 Tage einkaufen gehen oder können wir das besser organisieren? Müssen wir den Kuchen selber backen oder reicht es, einen gekauften zu pimpen? Müssen wir an den Weihnachtstagen 5 Außerhaus-Besuche machen oder können wir das umplanen?
6
Klare Verantwortlichkeiten schaffen
Aufgabenpakete werden klar zugeteilt und das bedeutet inklusive der Verantwortung, sprich des Mental Loads. Das kann auf verschiedenen Wegen erfolgen.
Ihr könnt natürlich Vorlieben berücksichtigen. Kompetenzen sind nicht zwangsläufig ausschlaggebend: lernt voneinander. Ihr könnt alles lernen. Hierzu ist es hilfreich (insbesondere unliebsame Aufgaben) durchroutieren zu lassen. Ihr könnt euch beide Besseres als Wäsche machen vorstellen? Dann tauscht diese Verantwortung z.B. quartalsweise.
Organisiert euch analog oder nutzt digitale Tools wie z.B. Trello Boards . Auf einem Trello Board könnt ihr z.B. Aufgaben den unterschiedlichen Arbeitspaketen zuteilen und auch gleich verantwortliche Personen benennen. Farbliche Markierungen helfen den Überblick zu bewahren. Ihr könnt beide auf das Trello Board zugreifen.
Ein anderes Tool aus dem agilen Projektmanagement ist die “Scrum for families-Methode”.
7
Transparent kommunizieren und stetig verbessern
Eins ist klar: es wird nicht sofort reibungslos verlaufen. Eine gerechte Arbeitsteilung in der Familie ist ein Prozess. Gerade das Thema der “Kompetenz” und individuelle Erwartungen an einzelne Aufgaben sind eine Hürde, die es bei einer neuen Arbeitsaufteilung in der Familie zu überwinden gilt.
Das wichtigste Gebot bei der Umverteilung: “Loslassen”.
Das klingt im ersten Moment seltsam – wir sollten doch froh sein, eine Aufgabe delegieren zu können. Doch wenn diese Aufgabe nicht gleich “richtig” erfüllt wird oder anders, als wir es selbst machen würden, kann “loslassen” schwer fallen. Fehler dürfen passieren – Schuldzuweisungen und Vorwürfe führen zurück in alte Muster.
Hilfreich ist es auch, wenn ihr euch auf jeweilige Mindeststandards für einzelne Aufgaben verständigt.
Regelmäßige Rücksprachen, z.B. als fester Programmpunkt am Sonntagnachmittag helfen euch, Missstände aufzudecken und Verbesserungen vorzunehmen.
7. Fazit
Abschließend lässt sich festhalten, dass eine faire Arbeitsteilung in der Familie von entscheidender Bedeutung ist, um ein harmonisches und ausgewogenes Familienleben zu führen. Die Verteilung von Care Arbeit, die oft unsichtbar bleibt und einen erheblichen Beitrag zum täglichen Funktionieren des Familienlebens leistet, muss bewusst gemacht und wertgeschätzt werden. Dabei spielen das Verständnis für die Bedeutung von Care Arbeit, die klare Definition von Verantwortlichkeiten, die Optimierung und Reduzierung von Aufgaben sowie transparente Kommunikation eine zentrale Rolle.
Es gilt: Je früher, desto besser. Und es ist nie zu spät, um eine faire Arbeitsteilung anzustreben.
Mit einer gemeinsamen Anstrengung können Paare eine ausgewogene Balance zwischen Care und Erwerbsarbeit erreichen, die eine Gleichstellung nicht nur als Mittel zum Zweck fördert, sondern so auch die Zufriedenheit und das Wohlbefinden der gesamten Familie verbessert.

Quellen:
Statista „Elternzeit immer noch ungleich verteilt“, 2023
Statistisches Bundesamt „Gender Care Gap 2022“ Pressemitteilung vom 28.2.2024
9213_Weichenstellungen.pdf (ifd-allensbach.de)
BMFSFJ “Gender Care Gap – Ein Indikator für die Gleichstellung”
Jo Lücke “Für Sorge – Wie Equal Care euer Familienleben rettet”
Foto Credit: Canva Pro